Die Brücken der Gotthardbahn sind weltbekannt. Die Bergstrecke zwischen Erstfeld und Biasca, sowie
am Ceneri bedingte eine grosse Anzahl an Kunstbauten. So waren auch über einhundert Brücken und
Durchlässe notwendig. Deren Erscheinungsbild reicht von der höchsten Brücke von 72 Metern, über die längste Brücke mit 2x 48 Metern Spannweite, bis zur ersten Tunnel-Brücke der Welt.
Vor Allem aber zeigen die Bilder der Brücken in ihrer Entwicklung und Veränderung ein Abbild der
architektonischen Vorlieben in bestimmten Epochen.
Um die grossen Spannweiten der Brücken auf der Nord- und der Südrampe zu meistern (Intschireussbrücke 77 m), entschied sich die Gotthardbahn-Gesellschaft für den Einsatz von Brücken mit Eisenfachwerkträgern, obwohl sich der damals zuständige Oberingenieur Moser (Bauleiter der Nordrampe) für den Bau von Steinbrücken einsetzte. Es gab gute Gründe dafür, dass man sich bei einer Gebirgsbahn, wo das Baumaterial Granitstein vor Ort reichlich vorhanden ist, trotzdem für eine andere Lösung entschied:
- Zum Zeitpunkt von Planung und Ausführung der Gotthardbahn waren Eisenbrücken in Mode
- Eisen war damals das gegebene Material, um breite Flüsse und tiefe Täler für den Transport schwerer Verkehrslasten leicht und rasch in Elementbauweise zu überbrücken
- Der Bau der vielen grossen Steinbrücken hätte eine bedeutend längere Bauzeit benötigt
- Es war eine gewisse Scheu vor der Anwendung so grosser, langer Gewölbe vorhanden
- Finanzielle Ãœberlegungen
Nach dem Finanz-Crash sollte die Gotthardbahn gemäss internationalem (Nach-)Vertrag aus finanziellen Gründen vorerst nur einspurig erbaut werden. Allerdings war im Vertrag vorgesehen, überall dort, wo ein späterer (Wieder-) Zugang grosse Kosten verursacht hätte, den Ausbau bereits zweigleisig vorzunehmen. Ein solches Vorgehen wäre beim Bau von Steinbrücken nicht möglich gewesen. - Der Schwerindustrie der Subventionsstaaten Italien und Deutschland sollte Gelegenheit zu Lieferungen geboten werden.
Bei der Produktion der Stahlbrücken wurde bereits damals das System der Vorfabrikation beziehungsweise die Elementbauweise angewendet.
Die in der Werkstatt bereits vormontierten Konstruktionsteile wurden mit Schiffen und Pferdefuhrwerken angeliefert und auf der Brückenbaustelle mit Warmnieten zusammengefügt. Der Zusammenbau erfolgte auf hölzernen oder eisernen Lehrgerüsten. Zum Heben der Lasten auf die luftige Höhe benutzte man Hebewerke oder sogar Seilbahnkranen. Nach der Fertigstellung der Brücken wurden die Brückenproben vorgenommen.
Der Fachmann für Bau und Architektur der SBB, Erich Schmied, und der Leiter Brückenbau der SBB in Luzern, Peter Witschonke, begleiten uns durch den Tag.
Wir erfahren vom Historiker, wie die Stahlkasten-Brücken der eingleisigen Strecke 1881 erbaut wurden. Beim Bau des zweiten Geleises zwischen 1890 und 1896 waren im Brückenbau bereits Fortschritte zu verzeichnen. Wir vernehmen, welche Vorteile die neuen Brücken aufwiesen, und wobei sie sich von der ersten Generation unterschieden. Wir hören weiter, weshalb nach 1905 die Kastenbrücken verstärkt werden mussten und weshalb nicht alle diesen charakteristischen „Fischbauch“ erhielten. Ein nächster Schnitt erfolgte nach 1921, bedingt durch die Elektrifizierung. Der Referent wird uns aufzeigen, weshalb einige Brücken bereits damals durch Betonbrücken ersetzt wurden. Er wird uns weiter erklären, weshalb mit der Modernisierung der Gotthardstrecke in den 50er Jahren, auch ein Ersatz der Stahlbrücken durch mit Granitsteinen verkleidete Betonbrücken einherging. Die Erklärung, weshalb trotz dieser Modernisierung einige Brücken erst viel später umgebaut wurden, wird ein weiterer Inhalt sein.
Ein eigenes geschichtliches Kapitel wird den inzwischen verschrotteten Kriegsbrücken der SBB gewidmet sein. In einem zweiten Referat erläutert uns Peter Witschonke, welche Aufgaben und Probleme heute im Bereich der Gotthard-Bergstrecke bei seiner Fachstelle anstehen und wie sie bewältigt werden. Am Nachmittag laden uns die beiden Referenten zu einem spannenden Spaziergang rund um das Areal des Bahnhofs Erstfeld ein. Dabei werden sie uns zeigen, dass der Begriff „Brücke“ im Bereiche der Bahn unerwartet weit aufgefasst werden kann. So werden wir neben den Unterführungen auch die Schiebebühne, die Drehscheibe, die Passerelle und die letzte noch vorhandene Kriegsbrücke besuchen und vor Ort ihre Konstruktionsweise bewundern können. Nach der Besammlung beim Güterschuppen beginnen wir unseren Rundgang nach einer kurzen Fahrt im „Extrazug“, in den Südkopf des Bahnhofs Erstfeld, bei der Kriegsbrücke. Die Kriegsbrücke 39 ist die einzige noch vorhandene Zeugin dieses Notbrücken-Typs und diente während des Baues des neuen Kraftwerkes Amsteg und dem Zwischenangriff Amsteg der NEAT, als Reuss-Brücke der Zufahrtsstrecke.
Das Zufahrtsgleis wurde inzwischen zurückgebaut, aber die letzte Kriegsbrücke 39 wird erhalten bleiben und zukünftig Fussgängern und Radfahrern als Übergang über die Reuss dienen. Gemeinsam mit Behörden und Bevölkerung erleben wir in einem kurzen Festakt die Übergabe der Kriegsbrücke an die Öffentlichkeit. Anschliessend setzen wir mit unseren Referenten unseren Rundgang fort und lassen uns von ihnen zeigen, wie viele Arten von Brücken rund um das Bahn-Areal von Erstfeld, aber auch im Depot-Bereich noch zu finden sind. Zur Bereicherung dieses Rundganges hat sich das Historic-Team Erstfeld wiederum ein paar ganz spezielle Aktionen einfallen lassen.
Text: Flyer Bahnplattform